Vom 17. Juli 2022
(dpa/tmn) Viele verteilen in ihrem Testament einzelne Vermögensgegenstände – ein Vorgehen, das das Gesetz so eigentlich nicht vorsieht. Vielmehr ist hier angedacht, den gesamten Nachlass an eine oder mehrere Personen als Erben zu geben. Einzelne Gegenstände können im Vermächtniswege an einzelne Personen verteilt werden. Doch was gilt, wenn jemand sämtliche wesentlichen Vermögensgegenstände an verschiedene Personen verteilt hat? In diesem Fall kann gleichwohl eine Erbeinsetzung desjenigen vorliegen, der das Hauptvermögen erhalten und die Nachlassverbindlichkeiten begleichen soll. Alle anderen sind dann (nur) Vermächtnisnehmer.
Der Fall
Ein Mann verstirbt verwitwet und kinderlos; er hinterlässt nur eine Schwester sowie deren Kinder als Anverwandte. In einem privatschriftlichen Testament setzte er seine Lebensgefährtin als Erbin für sein Haus und sein Barvermögen ein, die auch seine Beerdigungskosten tragen sollte; weitere Grundstückanteile vererbt er seinen Nichten und Neffen. Die Lebensgefährtin beantragt einen Erbschein, der sie als Alleinerbin ausweist, da das ihr ihr Zugewendete den wesentlichen Vermögensteil des Nachlasses ausmache.
Alleinerbeneinsetzung auch bei Zuwendung des wesentlichen Vermögensgegenstandes
Zu Recht, urteilen die Richter. Die Lebensgefährtin ist Alleinerbin geworden. Dies ergibt sich aus der vorzunehmenden Auslegung des Testaments, bei der der wirkliche Wille des Erblassers zu ermitteln ist. Erst wenn hiernach Zweifel verbleiben, ist auf die Auslegungsregeln zurückzugreifen, die das Gesetz vorsieht. Zwar gibt es eine Auslegungsregel, die besagt, dass in der Zuwendung einzelner Nachlassgegenstände eher ein Vermächtnis denn einen Erbeinsetzung zu sehen ist. Für die Annahme einer Erbeinsetzung kann gleichwohl die Tatsache sprechen, dass der Erblasser sein Vermögen im Wesentlichen vollständig verteilt, einem Bedachten den Gegenstand zugewendet hat, der nach seiner Vorstellung das Hauptvermögen bildet, oder sonst nur Vermächtnisnehmer vorhanden wären und nicht anzunehmen ist, dass der Erblasser überhaupt keine Erben berufen und seine Verwandten oder sonst nahe stehenden Personen als Erben ausschließen wollte. Hier hat der Erblasser seines Lebensgefährtin an herausragender Stelle als erste benannt und ihr „sein Haus“ und sein Barvermögen zugewandt. Dadurch hat er ihre eine Position verschaffen wollen, in der sich die Kontinuität seiner bisherigen Lebensführung typischerweise in besonderem Maße verwirklichen lässt. Diese ihr zugewendeten Gegenstände übersteigen im Wert die sonst verteilten Nachlassgegenstände ganz erheblich. Trotz Verwendung des gleichen Begriffes „vererben“ sei nicht anzunehmen, dass der Erblasser auch die Nichten und Neffen zu Erben einsetzen wollte; ihnen hat er vielmehr nur Vermächtnisse ausgesetzt. Dafür spricht auch, dass er seiner Lebensgefährtin aufgegeben hat, seine Nachlassverbindlichkeiten, namentlich die Beerdigungskosten zu tragen; denn diese sind nach dem Gesetz von den Erben zu tragen, nicht hingegen von den Vermächtnisnehmern.
Oberlandesgericht (OLG) Saarbrücken Beschl. v. 30.3.2022 (5 W 15/22)