Vom 8. Mai 2019
(dpa/tmn). Verstirbt der schwedische Ehemann und wird die überlebende, deutsche Ehefrau Alleinerbin, ohne dass die Kinder erben, so ist dies mit dem deutschen Grundgesetz vereinbar.
Der Fall
Ein Mann wird in Deutschland geboren und zieht als Kind mit seiner Mutter nach Schweden. Dort erlangt er die schwedische Staatsbürgerschaft. Er heiratet eine Deutsche und wohnt mit dieser in Deutschland, wo er dann verstirbt. Er hinterlässt neben seiner Ehefrau einen gemeinsamen Sohn. Es gibt kein Testament. Die Ehefrau beantragt nun die Erteilung eines Erbscheins nach schwedischem Recht, wonach sie Alleinerbin ist. Ihr Sohn soll nichts erhalten. Dieser setzt sich zur Wehr.
Ehefrau ist Alleinerbin nach schwedischem Recht
Der Mann wird nach schwedischem Recht beerbt, da er noch vor Geltung der EuErbVO verstorben ist und damit Art. 25 EGBGB a.F. anzuwenden ist. Die Ehefrau ist Alleinerbin, urteilen die Richter. Auch, wenn dies dem deutschen Recht widerspricht. Kinder sollen in Deutschland beim Erbe nicht leer ausgehen. Dies beruht auf Artikel 6 Grundgesetz, welcher die Ehe und die Familie unter besonderen Schutz stellt. Deswegen ist das vollständige Enterben von Kindern in Deutschland fast unmöglich und setzt besonders schwerwiegende Vergehen des Kindes gegen den verstorbenen Elternteil voraus. Das deutsche Erbrecht hätte im vorliegenden Fall der Mutter und dem Sohn jeweils die Hälfte des Erbes zugesprochen. Hier kommt es allerdings wegen der schwedischen Staatsangehörigkeit des Vaters nicht zur Anwendung deutschen Rechts, sondern zur Anwendung schwedischen Rechts.
Kein Ordre Public
Wendet ein deutsches Gericht schwedisches Recht an, so muss es dies jedoch nicht bedingungslos tun. Steht die Anwendung von ausländischem Recht in einem starken Widerspruch zum deutschen Grundgesetz, so kann das deutsche Gericht berufen sein, das ausländische Recht in diesem Fall doch nicht anzuwenden. Das ist dann der Fall, wenn das ausländische Recht den grundlegenden Wertevorstellungen des Rechts am Gerichtsstand, dem sogenannten „ordre public“ widerspricht. Für einen Fall des „ordre public“ reicht aber nicht aus, dass ein Grundrecht eines Beteiligten tangiert wird. Vielmehr muss der Verstoß so schwerwiegend sein, dass das Ergebnis der Anwendung des ausländischen Rechts nach unseren deutschen Wertevorstellungen schlicht unerträglich wäre. Dies hat das Gericht hier abgelehnt. Das schwedische Recht spricht zwar den Kindern bei dem Tod des ersten Elternteils zunächst kein Erbrecht zu, garantiert jedoch, dass sie bei dem Tod des zweitversterbenden Elternteils Erben werden. Der zweitversterbende Elternteil darf das Erbe nicht verschenken oder jemand anderem als seinen Kindern vererben. Dieses Konstrukt kennt das deutsche Recht als Vor- und Nacherbschaft. Die Kinder bekommen zwar bei dem ersten Todesfall kein Geld, aber sie gehen doch nicht komplett leer aus. Der Widerspruch zum deutschen Recht ist somit nicht enorm und die Anwendung des schwedischen Rechts keineswegs unerträglich.
Amtsgericht (AG) Rosenheim, Beschl. v. 20.8.2018 (VI 2059/14)