Vom 10. Februar 2021
(dpa/tmn) Wer enterbt ist, kann seinen Pflichtteil fordern. Dieser besteht in einer bestimmten Quote vom Nettonachlasswert. Nachlassverbindlichkeiten werden also grds zu Lasten des Pflichtteilsberechtigten von den Aktiva abgezogen. Was aber, wenn ein Dritter behauptet, einen Anspruch gegen den Nachlass zu haben, der Erbe das aber bestreitet? In diesem Fall muss der Erbe den Pflichtteil zunächst so ausbezahlen, als gäbe es die ungewisse Verbindlichkeit nicht. Stellt sich heraus, dass der Dritte berechtigterweise einen Anspruch geltend gemacht hat, so ist dies später zwischen Erbe und Pflichtteilsberechtigtem auszugleichen. Darüber informiert die Arbeitsgemeinschaft Erbrecht im Deutschen Anwaltverein.
Der Fall
Eine Frau macht gegen die Erben ihrer verstorbenen Mutter Pflichtteilsansprüche geltend. Die Erben erkennen die Ansprüche grds an. Sie tragen aber vor, dass rechnerisch möglicherweise gar keine Ansprüche bestehen, weil gegen den Nachlass eine Forderung geltend gemacht wird, die diesen aufzehren würde. Zwar seien sie der Ansicht die Forderung bestehe nicht, wollen aber den Pflichtteil solange zurückbehalten, bis dies geklärt ist.
Pflichtteil muss zunächst ausbezahlt werden
Zu Unrecht, urteilen die Richter. Nach § 2313 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 BGB sind ungewisse Verbindlichkeiten, wie sie hier gegen die Erben geltend gemacht werden, bei der Feststellung des Wertes des Nachlasses außer Ansatz zu lassen. Das Gesetz sieht insoweit eine eindeutige Risikoverteilung dahin gehend vor, dass die Erben zunächst den unter Außerachtlassung der ungewissen Verbindlichkeit berechneten Pflichtteilsansprüche ausgleichen muss.
Ausgleich erfolgt evtl. später
Stellt sich die Forderung gegen die Erben letztlich als bestehend heraus, so können die Erben Rückforderungsansprüche in Höhe des überzahlten Betrages gegen die Pflichtteilsberechtigte geltend machen (§ 2313 Abs. 1 S. 3 BGB). Das Risiko, dass sich dieser Rückzahlungsanspruch nicht mehr realisieren lässt, tragen dabei die Erben.
Oberlandesgericht (OLG) Koblenz Beschl. v. 14.8.2020 (12 W 173/20)