Vom 24. April 2019
(dpa/tmn). Enterbt jemand seine Kinder, so haben diese Pflichtteilsansprüche. Verschenkt der Erblasser einen Teil seines Vermögens, so richten sich diese nicht nur nach einer Quote aus dem beim Tod vorhandenen Vermögen, sondern auch nach dem verschenkten Vermögen. Voraussetzung ist, dass die Schenkung an einen anderen als den Pflichtteilsberechtigten erfolgte. Verstirbt die beschenkte Tochter vor der Erblasserin und macht deren Sohn statt der Tochter den Pflichtteil geltend, so lösen die Schenkungen an die Tochter keine Pflichtteilsergänzungsansprüche aus.
Der Fall
Eine Frau verstirbt 2012 und hinterlässt neben ihrem Sohn einen Enkel, nämlich den Sohn ihrer bereits im Jahre 2009 vorverstorben Tochter. Mit ihrem Sohn hat die Erblasserin 1984 einen Erbvertrag geschlossen. Hierin hat sie ihn zu ihrem Alleinerben eingesetzt. Unter dem Erbvertragstext hat die Erblasserin handschriftlich eine „Ergänzung des Erbvertrages vom 14.08.1984“ verfasst, die von ihr und ihrem Sohn unterschrieben ist. Diese lautet: „Ich habe meiner Tochter Helga H. Kontovollmacht über meine Ersparnisse bei der Stadtsparkasse M, und der Postbank erteilt. Bei Entnahme vor meinem Tod ist damit ihr Pflichtteilanspruch auf mein Erbe vollständig abgegolten.“ Die Zuwendungen an ihre Tochter betragen insgesamt 61.989,93 €. Der Enkel macht Pflichtteilsansprüche nach seiner Großmutter geltend und wegen der Zuwendungen an seine Mutter Pflichtteilsergänzungsansprüche geltend. Dabei ist er der Meinung, die Zuwendungen, diese seien nicht auf den Pflichtteil anzurechnen.
Pflichtteilsergänzungsanspruch bei Schenkung an Dritte
Zu Unrecht, urteilen die Richter: Der Enkel ist pflichtteilsberechtigt, da er an die Stelle seiner Mutter getreten ist. Der Pflichtteil wird ausbezahlt in der Höhe der Hälfte des gesetzlichen Erbteils und ist damit als Pflichtteilsquote, die auf den Wert des Nachlasses bezogen ist, abhängig davon, wie hoch das Hinterlassene im Zeitpunkt des Erbfalles ist. Wird zu Lebzeiten des Erblassers der Nachlass durch Schenkungen an Dritte geschmälert, so würde dadurch auch der Anteil verringert, der dem Pflichtteilsberechtigten zusteht. Um das zu verhindern, gewährt das Gesetz dem Pflichtteilsberechtigten einen sog. Pflichtteilsergänzungsanspruch. Hierüber erhält der Pflichtteilsberechtigte die entsprechende Quote aus dem Wert dessen, was der Erblasser zu Lebzeiten aus dem Nachlass weg an Dritte verschenkt hat.
Hier kein Pflichtteilsergänzungsanspruch, da Sohn an die Stelle der Mutter getreten ist
Die Schenkungen an die Mutter unterliegen aber nicht der Pflichtteilsergänzung. Denn die Mutter war zum Zeitpunkt der Schenkungen selbst pflichtteilsberechtigt. Somit wurde nichts an einen „Dritter“ geschenkt. Vielmehr hat die Mutter selbst als Pflichtteilsberechtigte bereits Zahlungen aus dem Nachlass erhalten. Was den Pflichtteil angeht, tritt aber der Sohn an die Stellte seiner Mutter. Diese hätte aber ja auch aus Schenkungen an sich selbst keine weitergehenden Rechte beanspruchen können. Im Gegenteil: Die Mutter hätte sich die Zuwendungen an sich selbst ggf. sogar auf evtl. Pflichtteilsansprüche anrechnen lassen müssen. Für den Sohn kann nichts anderes gelten. Denn durch die „Ergänzung des Erbvertrages“ kommt der erforderliche Anrechnungswille der Erblasserin hinreichend – im vorliegenden Fall auch für die Beschenkte – zum Ausdruck.
Oberlandesgericht (OLG) München, Endurt. v. 06.02.2019 (20 U 2354/18)