Vom 20. Dezember 2021
(dpa/tmn). Wer als nächster Angehöriger enterbt ist, kann seinen Pflichtteil einfordern. Hierfür ist oftmals eine Bewertung von Nachlassgegenständen, vor allem von Immobilien erforderlich. Hält der Erbe an einem aus Sicht der Pflichtteilsberechtigten zu niedrigen Wert für eine Nachlassimmobilie fest, so kann der Pflichtteilsberechtigte ein Sachverständigengutachten zum Nachweis eines höheren Wertes in Auftrag geben und die Kosten des Gutachtens vom Erben ersetzt verlangen.
Der Fall
Ein verwitweter Mann setzt seine Tochter zur Alleinerbin ein. Deren enterbten Geschwister machen nach seinem Tod gegen diese Pflichtteilsansprüche geltend. Zu diesem Zweck fordern sie von ihrer Schwester ein Nachlassverzeichnis. Diese kommt dem nach, legt u.a. Konten sowie Beerdigungskosten offen, beziffert den Wert des einzigen Nachlassgrundstückes mit 60.000,00 € und zahlt daraufhin 13.509,54 € Pflichtteil an jedes ihrer Geschwister aus. Die enterbten Kinder halten den Wert des Grundstückes für zu niedrig angesetzt. Sie holen ein Marktwertgutachten ein, das das Grundstück mit 97.200,00 € bewertet. Für die Erstellung des Gutachtens sind 357,00 € angefallen. Sie möchten von ihrer Schwester den sich aus dem höheren Wert des Grundstückes ergebenden Pflichtteil ausbezahlt sowie die Gutachterkosten erstattet haben.
Wer sich herausgefordert fühlen darf, einen Gutachter zu bestellen, erhält die Gutachterkosten erstattet.
Zu Recht, urteilen die Richter, die den Gutachterwert von ca. 91.000,00 € für nachvollziehbar halten. Außerdem gestehen sie den enterbten Kindern einen Anspruch auf Erstattung der Gutachterkosten von 357,00 € zu. Rechtsgrundlage sei eine sogenannte Geschäftsführung ohne Auftrag. Hieraus könne der Geschäftsführer wie ein Beauftragter Ersatz seiner Aufwendungen verlangen, wenn die Übernahme der Geschäftsführung dem Interesse und dem wirklichen oder dem mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn entspricht; dies allerdings nur, soweit der Geschäftsführer die Aufwendungen für erforderlich halten durfte. Eine Erstattung der Kosten eines vom Auftraggeber vorgerichtlich beauftragten Sachverständigen komme zwar nur in Betracht, wenn die Beauftragung des Gutachters unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls nach Zeitpunkt, Inhalt und Umfang des Auftrags bei objektiver verständiger Sicht dem Auftraggeber erforderlich erscheinen musste. Dies sei hier aber deshalb der Fall gewesen, weil die Beklagte darauf bestanden habe, der Verkehrswert der streitgegenständlichen Immobilie betrage nur 60.000,00 €. Da dies trotz ersichtlich entgegenstehender Anhaltspunkte und der Aufforderung der Geschwister, einen höheren Betrag anzuerkennen, erfolgte, durften sich die Kläger unter Zugrundlegung eines objektiven Bewertungsmaßstabes nachvollziehbar herausgefordert fühlen, einen Sachverständigen zur Klärung der streitigen Sachlage hinzuzuziehen. Die hierfür angefallenen Kosten erhalten sie folglich ersetzt.
Landgericht (LG) Arnsberg, Urt. v. 17.9.2021 (1 O 261/19)