Vom 5. Mai 2021
(dpa/tmn). Wer seine Kinder enterbt, konfrontiert seine Erben mit Pflichtteilsansprüchen. Diese richten sich nicht nur nach dem Vermögensstand zum Zeitpunkt des Todes. Vielmehr werden auch Vermögensgegenstände einbezogen, die der Verstorbene in den letzten 10 Jahren verschenkt hat. Diese Ansprüche muss man innerhalb von drei Jahren geltend machen. Sonst sind sie verjährt. Für den Fristbeginn ist maßgeblich die Kenntnis von der Enterbung und Wegschenkung. Doch was gilt, wenn der Pflichtteilsberechtigte infolge einer Behinderung geschäftsunfähig ist? Dann beginnt die Frist mit der Kenntnis seinen gesetzlichen Vertreters, sprich seines Betreuers.
Der Fall
Ein Vater enterbt seine infolge einer intellektuellen Behinderung geschäftsunfähige Tochter zugunsten seiner Frau im Rahmen eines Berliner Testaments. Die so entstandenen Pflichtteilsergänzungsansprüche wegen lebzeitigen Schenkungen des Vaters leitet das Sozialamt auf sich über. Nachdem auch die Mutter verstorben ist, macht das Sozialamt Pflichtteilsansprüche gegen den diese allein beerbenden Sohn geltend, der seit dem Tod des Vaters zugleich der gesetzliche Betreuer der behinderten Tochter ist. Dieser beruft sich auf Verjährung. Das Sozialamt hält an seinen Ansprüchen fest, weil die Verjährung erst mit der Überleitung der Ansprüche an dieses zu laufen begonnen habe, da zuvor der Sohn als Betreuer zuerst gegen die Mutter und dann gegen sich selbst hätte vorgehen müssen.
Die Verjährung beginnt mit der Kenntnis des Betreuers zu laufen
Zu Unrecht, urteilen die Richter. Pflichtteilsergänzungsansprüche verjähren nach drei Jahren. Die Frist beginnt in dem Zeitpunkt, in dem der Pflichtteilsberechtigte von dem Eintritt des Erbfalles und von der ihn beeinträchtigenden Verfügung Kenntnis erlangt. Hinsichtlich der Kenntnis ist hier nicht auf die geschäftsunfähige Tochter, sondern auf ihren Betreuer abzustellen. Zwar pausiert der Lauf der Verjährung, solange die Tochter infolge des Todes des Vaters ohne Betreuer war. Mit der Bestellung des Bruders zum Betreuer lief die Frist aber weiter. Der Bruder war auch nicht von der Vertretung seiner Schwester ausgeschlossen. Er durfte vielmehr für sie die Entscheidung treffen, etwaige Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche gegen die Mutter als alleinige Erbin des Vaters geltend zu machen. Ebenso wenig bestand nach dem Tod der Mutter ein Vertretungshindernis im Hinblick auf die Prüfung von Ansprüchen gegen sich selbst. Da von diesem Zeitpunkt betrachtet, der Sozialhilfeträger erst nach Ablauf der drei Jahre, Ansprüche geltend machte, beruft sich der Bruder zu Recht auf Verjährung.
Oberlandesgericht (OLG) Hamm, Urt. v. 22.12.2020 (10 U 103/19)