Vom 4. Dezember 2019
(dpa/tmn). Wer seine Kinder zugunsten anderer enterbt, muss damit rechnen, dass sich die Erben mit Pflichtteilsansprüchen der Kinder konfrontiert sehen. Diese bestehen in einer geldwerten unentziehbaren Beteiligung an Nachlass des Verstorbenen. Die Pflichtteilsberechtigten erhalten einen Anteil dessen, was zum Zeitpunkt des Todes an Vermögen vorhanden war. Wurde das Vermögen des Verstorbenen durch lebzeitige Schenkungen ausgehöhlt, so bekäme der Pflichtteilsberechtigte weniger als ihm verfassungsrechtlich zusteht. Das Gesetz ordnet deshalb an, dass Schenkungen der letzten zehn Jahre dem Nachlass fiktiv hinzugerechnet werden und die Pflichtteilsberechtigten sog. „Pflichtteilsergänzungsansprüche“ aus dem so erhöhten Nachlasswert erhalten. Hierfür müssen die Pflichtteilsberechtigten Wegschenkungen des Erblassers jedoch beweisen.
Der Fall
Eine Gastwirtin erwirbt in den 90er Jahren zwei Eigentumswohnungen. Ihr Ehemann erzählt seiner Familie, er habe zwei Wohnungen gekauft; er stehe jedoch nicht im Grundbuch. Als der Mann stirbt, wird seine Frau dessen Alleinerbin. Seine zwei Töchter aus erster Ehe verlangen von ihrer Stiefmutter Auszahlung ihrer Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche. Sie begehren damit nicht nur ihren unentziehbaren Anteil am Nachlasswert, wie er sich zum Zeitpunkt des Todes des Vaters darstellt, sondern auch in Bezug auf die beiden Eigentumswohnungen. Sie begründen dies damit, dass ihr Vater ihrer Stiefmutter die beiden Wohnungen geschenkt oder ihr zumindest den Erwerb finanziert hätte. Ihre Stiefmutter hätte nämlich kein eigenes Vermögen besessen. Die Stiefmutter hingegen trägt vor, sie habe die Wohnungen selbst erworben und finanziert mittels ihres ständigen Einkommens aus ihrem Gastronomiegewerbe, ihres angesparten Vermögens, zweier Darlehen und der Mieteinnahmen aus den beiden Wohnungen.
Beweislast für Schenkung bei Pflichtteilsberechtigten
Die Richter sprechen den Töchtern ihren Pflichtteilsergänzungsanspruch ab. Da der Vater nie im Grundbuch eingetragen war, kann er auch nie Eigentümer der Wohnungen gewesen sein und sie somit auch nicht der Stiefmutter geschenkt haben. Die Behauptung, der Vater habe die Wohnungen finanziert, konnten die Töchter nicht nachweisen. Dies wäre aber notwendig gewesen; denn sie trifft die Beweislast.
Sekundäre Darlegungslast beim (potentiell) Beschenkung wegen Beweisnot
Diesen Beweis zu führen ist oft schwierig. Daher hilft die Rechtsprechung damit, dass sie den potenziell Beschenkten auferlegt, detailliert zu erklären, wie das Eigentum erworben wurde, wenn nicht durch Schenkung. Dieser Pflicht ist die Stiefmutter nachgekommen, indem sie genau dargelegt hat, wie sie die Wohnungen finanziert hat. Es wäre nun an den Töchtern gewesen, das Gegenteil zu beweisen. Das ist ihnen aber nicht gelungen. Die Aussage ihres verstorbenen Vaters, dass er die Wohnungen gekauft hat, sahen die Richter als nicht ausreichend an. Der Pflichtteil der Töchter wird somit nicht erhöht.
Oberlandesgericht (OLG) München, Endurteil v. 31.07.2019 (7 U 3222/18)