Vom 2. März 2021
(dpa/tmn) Wer den Erbonkel nur entfernt kennt und den Nachlass eher in chaotischem, denn geordneten Zustand vorfindet, dem wird schnell geraten, die Erbschaft auszuschlagen, um nicht für die Schulden des Verstorbenen aufkommen zu müssen. Stellt sich dann heraus, dass der Nachlass einen nicht zu vernachlässigenden Wert hat, so reut einen diese Entscheidung schnell. Dann ist guter Rat teuer. Eine Anfechtung der Ausschlagungserklärung kann im Einzelfall einen Ausweg bieten.
Der Fall
Ein geschiedener Mann verstirbt kinderlos; seine Eltern sind vorverstorben, Geschwister hatte er nicht. Zum Erben ist sein Cousin berufen. Der Mann war von der Polizei tot in seiner völlig vermüllten und verdreckten Wohnung aufgefunden worden; der Notarzt ging von einem natürlichen Tod aus. Der Cousin erklärt, die Nachlassregelung nicht zu übernehmen und schlägt gegenüber dem Nachlassgericht aus, weil der Wert des Nachlasses nicht bekannt und nach Auskunft des Nachlassgerichts die Bestattung aus öffentlicher Hand gezahlt worden sei, weshalb er von einer Überschuldung ausgehe. Als der vom Nachlassgericht bestellte Nachlasspfleger feststellt, dass sich ein nicht unerhebliches Vermögen im Nachlass befindet, ficht der Cousin seine Ausschlagungserklärung an. Er habe den Worten der Polizei vertraut, dass der Nachlass sicher überschuldet sei, weil sich die Wohnung in einem erbarmungswürdigen Zustand befunden habe.
Anfechtung der Ausschlagungserklärung
Zu Recht, entscheiden die Richter. Ein Irrtum über die Überschuldung des Nachlasses gewähre dem Ausschlagenden ein Anfechtungsrecht, das er frist- und formgerecht ausüben muss. Dies gelte indes nur, wenn der Irrtum bezüglich der Überschuldung auf falschen Vorstellungen hinsichtlich der Zusammensetzung des Nachlasses, also bezüglich des Bestandes an Aktiva und Passiva, beruht. Nicht zur Anfechtung berechtigt ist, wer ohne nähere Kenntnis der Zusammensetzung des Nachlasses einer Fehlvorstellung über dessen Größe unterliegt. Mit anderen Worten kann sich derjenige nicht auf einen Anfechtungsgrund berufen, der nicht aufgrund einer Bewertung ihm bekannter oder zugänglicher Fakten zu dem Ergebnis gelangt ist, die Erbschaft annehmen oder ausschlagen zu wollen, sondern seine Entscheidung auf spekulativer – bewusst ungesicherter Grundlage getroffen hat. Letzteres ist aber hier nach Ansicht der Richter nicht der Fall, da sich der Cousin bemüht hat, Einzelheiten zum Nachlass in Erfahrung zu bringen, und dazu Auskünfte bei den mit der Sache befassten öffentlichen Stellen eingeholt hat. Er hat zum einen mit Beamten der Polizei, die mit dem Todesermittlungsverfahren befasst war, Rücksprache gehalten und von dort Informationen über die in der Wohnung des Erblassers vorgefundene Situation erhalten. Zum anderen hat er Kontakt mit dem Nachlassgericht aufgenommen und in zwei Telefonaten mit der zuständigen Rechtspflegerin, die auch den angefochtenen Beschluss erlassen hat, über die Frage der Annahme der Erbschaft bzw. der Ausschlagung gesprochen. Damit hatte er die Umstände aus seiner damaligen Sicht abschließend geklärt und es haben sich keine Anhaltspunkte für weitere taugliche Informationsquellen geboten.
Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf Beschl. v. 20.11.2020 (I-3 Wx 166/20)