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Aktuelle Urteilsmeldungen

Vom 30. Dezember 2020

Ausschlagung einer Erbschaft in Polen durch ein in Deutschland lebendes Kind

(dpa/tmn) Wenn Kinder erben, müssen deren Eltern darüber entscheiden, ob sie die Erbschaft annehmen oder nicht. Die gemeinsame Entscheidung der Eltern muss grundsätzlich durch das Familiengericht bestätigt werden, um wirksam zu sein. In Deutschland gilt dies allerdings dann nicht, wenn eigentlich ein Elternteil Erbe geworden wäre, diese Erbschaft aber bereits ausgeschlagen hat und das Kind nur aufgrund dieser Erbausschlagung überhaupt zum Erben berufen ist. Diese Ausnahme von der Zustimmungspflicht des Familiengerichts gilt allerdings nicht, wenn es um die Ausschlagung einer in Polen angefallenen Erbschaft durch ein in Deutschland lebendes minderjähriges Kind geht.

Der Fall
Die Mutter eines minderjährigen Kindes, für das sie das alleinige Sorgerecht innehat, ist Erbin nach ihrem Vater, der in Polen gelebt hat. Nachdem sie die Erbschaft beim Generalkonsulat der Republik Polen die ihr angefallene Erbschaft ausgeschlagen hat, tritt ihr Kind an ihre Stelle. Die Mutter schlägt das Erbe daraufhin auch für ihr Kind aus. Sie beantragt beim zuständigen deutschen Familiengericht, diese Ausschlagung zu genehmigen, da nach polnischem Recht eines solche Genehmigung erforderlich sei. Das Familiengericht verweigert eine Prüfung der Ausschlagung, da nach deutschem Recht, eine Zustimmung nicht erforderlich sei.

Nach polnischem Recht ist eine familiengerichtliche Genehmigung erforderlich; das muss auch das deutsche Familiengericht berücksichtigen
Zu Unrecht, urteilen die Richter. Das Familiengericht in Deutschland ist zwar international zuständig. Die Frage, ob die Ausschlagung durch die Mutter der Genehmigung des Familiengerichts bedarf, beurteilt sich aber nach polnischem Recht. Das polnische Recht aber verlangt für die Wirksamkeit der Ausschlagung einer Erbschaft für ein Kind durch seinen gesetzlichen Vertreter zum Schutze des Vermögens und des Wohles des Kindes auch dann eine gerichtliche Genehmigung, wenn das fremde Recht diese nicht vorsieht. Das deutsche Familiengericht muss mithin die für die Wirksamkeit der Erbausschlagung der Mutter entscheidende Frage, ob die Genehmigung hierfür nach den von der deutschen Rechtsprechung hierzu entwickelten materiell-rechtlichen Grundsätzen zu erteilen ist, prüfen.

Oberlandesgericht (OLG) Saarbrücken, Beschluss vom 5.5.2020 (6 UF 58/20)