Vom 12. Februar 2020
(dpa/tmn). Ein Schadensersatzanspruch setzt voraus, dass dem Geschädigten auch wirklich ein Schaden entstanden ist. Eine Erbvertragsklausel, die eine Schadensersatzpflicht festlegt, ohne dass dem Berechtigten ein entsprechender Schaden entstanden ist, kann als Vertragsstrafe ausgelegt werden.
Der Fall
Eheleute schließt mit ihrer einzigen Tochter einen Erbvertrag. In diesem halten sie fest, dass die Ehegatten sich zunächst gegenseitig als Alleinerben einsetzen und die Tochter dann Erbin des zuletzt versterbenden Ehegatten sein soll (sog. Schlusserbin). Die Tochter verzichtet auf ihren Pflichtteil an dem Erbe des zuerst versterbenden Elternteils. Im Gegenzug verpflichten sich die Eltern, über ihren Immobiliennachlass nicht ohne Zustimmung der Tochter zu verfügen (bspw. verkaufen), „widrigenfalls sie in Geld schadensersatzpflichtig würden.“
Der Vater verstirbt; die Mutter ist Alleinerbin. Einige Jahre später verkauft die Mutter eines ihrer Grundstücke ohne Zustimmung ihrer Tochter. Die Tochter verlangt Schadensersatz in Höhe des erlangten Kaufpreises. Die Mutter lehnt jedoch den Schadensersatzanspruch ihrer Tochter mit der Begründung ab, dass der Tochter gar kein Schaden entstanden sei. Denn an ihrem derzeitigen Vermögen habe sich schließlich nichts geändert. Einen Unterschied würde die Tochter erst merken, wenn sie Erbin wird. Einen Anspruch könne sie demnach frühestens nach dem Tod der Mutter geltend machen.
Kein Schadensersatzanspruch mangels Schadens
Die Richter folgen der Argumentation der Mutter nicht. Zwar ist es korrekt, dass ein Schadensersatzanspruch einen tatsächlichen entstandenen kausalen Schaden voraussetzt; auch ist es korrekt, dass der Tochter zum jetzigen Zeitpunkt noch kein Schaden entstanden ist. Richtigerweise ist ein Schadensersatzanspruch der Tochter deshalb auch abzulehnen, aber darauf kommt es hier nicht an. Der Anspruch der Tochter besteht trotzdem.
Auslegung der Klausel als Vertragsstrafe
Die Richter werten die betreffende Klausel als Vereinbarung einer Vertragsstrafe. Gegen diese Vereinbarung hat die Mutter verstoßen. Eine Vertragsstrafe ist, im Gegensatz zu einem herkömmlichen Schadensersatzanspruch, nicht von dem tatsächlichen Eintritt eines realisierten Vermögensschadens abhängig, sondern nur davon, ob gegen die zugehörige vertragliche Regelung verstoßen wurde. Genau so haben es die Beteiligten damals gewollt, urteilen die Richter. Anderenfalls würde die Sanktion völlig ins Leere laufen. Schließlich ist es zwangsläufig so, dass eine elterliche Verfügung über ihre Grundstücke nur zu einem Zeitpunkt erfolgen kann, wenn mindestens einer der Elternteile noch lebt. Dementsprechend kann die Tochter zu diesem Zeitpunkt noch nicht durch Erbschaft Eigentümerin der Grundstücke geworden sein. Eine elterliche Verfügung über ihr Grundstück würde also naturgemäß keine tatsächliche Vermögensschädigung der Tochter hervorrufen. Es kann demnach nicht der Wille der Beteiligten gewesen sein, dass eine Vermögensschädigung Voraussetzung für einen Anspruch der Tochter sein soll.
Vertragsstrafe ist sofort fällig
Auch ist davon auszugehen, dass die Vertragsstrafe sofort fällig sein sollte, denn es wäre zweckfremd der Tochter einen Anspruch erst zuzugestehen, wenn sie selbst Erbin ist. Denn dieser Anspruch würde sich gegen den Nachlass richten, welcher ihr als Erbin ohnehin zusteht. Sie müsste sich also mittelbar selbst „Schadensersatz“ leisten, während die Eltern von dem Verstoß zu Lebzeiten keinerlei Nachteil spüren würden.
Vertragsstrafe im Erbvertrag ist auch in unbestimmter Höhe wirksam
Eine solche Vertragsstrafe darf auch in Erbverträgen verwendet werden. Ebenso ist es unschädlich, dass die Beteiligten keine genaue Höhe der Vertragsstrafe angegeben haben, da sich diese entweder durch Wertgutachten oder – im Falle eines Verkaufs – durch den Kaufpreis beziffern lässt.
Oberlandesgericht (OLG) Saarbrücken, Urteil vom 14.08.2019 (5 U 87/18)