Seite drucken

Aktuelle Urteilsmeldungen

Vom 16. April 2015

Kann man sich auf ein Testament berufen, das erst 20 Jahre nach dem Tod aufgefunden wird?

(dpa/red). Wenn jemand verstirbt, ohne dass ein Testament aufgefunden wird, so kommt die gesetzliche Erbfolge zum Zuge. Hiernach wird ein Erbschein erteilt. Doch was geschieht, wenn noch nach Jahren auf einmal doch ein Testament auftaucht? Die Arbeitsgemeinschaft Erbrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) informiert über eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main. 

Der Fall

1991 verstirbt eine geschiedene Mutter von drei Kindern. Erst 2011 wird den Kindern ein Erbschein nach gesetzlicher Erbfolge erteilt. Dieser weist sie als Erben zu je einem Drittel aus. Im Juli 2012 findet ein Sohn ein handgeschriebenes Testament, das mit dem Datum 5.10.1991, kurz vor dem Tod der Mutter versehen ist. In diesem Testament setzt die Mutter den Sohn zum Alleinerben ein. Er beantragt daraufhin beim Nachlassgericht einen Alleinerbschein. Seine Geschwister wehren sich dagegen mit der Begründung, das Testament können kaum echt sein, wenn es erst 20 Jahre nach dem Tod der Mutter plötzlich „aufgetaucht“ ist. Schließlich habe das Nachlassgericht ihnen ja auch schon einen gemeinsamen Erbschein erteilt. Außerdem habe der angeblich als Alleinerbe eingesetzte Sohn längere Zeit vor ihrem Tod keinen Kontakt mehr zur Mutter gehabt. Es müsse ein Sachverständigengutachten über die Echtheit des Testaments eingeholt werden. 

Der Sohn hat vorgetragen, dass er gewusst habe, dass seine Mutter ein Testament errichtet hat. Er habe dieses Testament auch gesucht, es aber zunächst nicht gefunden. Als das Thema Erbschaft aufgrund des ersten Erbscheinsverfahrens wieder aufkommt und er anlässlich seines Umzug ins Ausland Gegenstände und Kartons beim Nachbarn unterstellt, schaut er diese durch und entdeckt Unterlagen der Mutter und eben auch das Testament. 

Allein die Tatsache, dass ein Testament erst lange Jahre nach dem Tod aufgefunden wird, rechtfertigt nicht die Annahme einer Fälschung

Das Nachlassgericht hat Rücksprache bei zwei Sachverständigen gehalten. Diese erläutern übereinstimmend, dass es hier nicht möglich sei, zu bestimmen, ob das Alter des Testaments vor den Tod der Mutter zu datieren ist. Es stellt dem Sohn daraufhin einen Alleinerbschein aus, ohne ein Gutachten einzuholen.

Zu Recht, entscheidet das OLG Frankfurt. Es ist hinreichend, wenn sich beim Gericht durch Anhörung der Beteiligten, Ansicht von Schriftproben der Verstorbenen und Rückfrage bei zwei Urkundensachverständigen eine Überzeugung davon bildet, dass das Testament echt ist. Dabei müssen nicht sämtlich denkbaren Zweifel ausgeräumt sein. Es komme auf einen für das praktische Leben brauchbaren Grad an Gewissheit an, der „vernünftige Zweifel ausschließt“. Da die Behauptungen zur Fälschung des Testaments recht vage seien, der Vortrag des Sohnes zum Auffinden des Testamentes hingegen nachvollziehbar und schlüssig, sei der Erbschein zu erteilen.

 

Oberlandesgericht Frankfurt am Main am 15.10.2014 (Az: 20 W 251/14)