Vom 10. April 2019
Köln/Berlin (dpa/tmn). Beruht die Entscheidung, die Erbschaft auszuschlagen, auf der Vermutung, der Nachlass sei überschuldet, so kann der Ausschlagende dies nicht rückgängig machen, wenn er seinen Irrtum später bemerkt, wie das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf mit Beschluss vom 19.12.2018 (I-3 Wx 140/18) entschieden hat. Die Arbeitsgemeinschaft Erbrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) berichtet.
Eine verwitwete Frau wird von der Polizei tot in ihrer verwahrlosten Wohnung aufgefunden. Sie hinterlässt kein Testament. Ihre Schwestern schlagen das Erbe aus. Das Nachlassgericht setzt eine Nachlasspflegerin ein, die feststellt, dass der der Nachlass nach Abzug der Schulden 6.500,00 € beträgt. Die Schwestern waren – zu Unrecht, wie sich herausstellte – davon ausgegangen, dass sie als Erben die kompletten Renovierungs- und Entrümpelungskosten gegenüber dem Vermieter zu tragen hätten. Nachdem sie ihren Irrtum bemerken, wollen sie Ausschlagung rückgängig machen und erklären die Anfechtung der Ausschlagung.
Dies ist nicht mehr möglich, entscheiden die Richter. Die Schwestern können die Erbschaft nicht mehr annehmen, weil es an einem Anfechtungsgrund fehlt. Ein Irrtum über die Frage, ob eine Erbschaft überschuldet ist, ist zwar als Anfechtungsgrund anerkannt. In einem solchen Fall kann auch die Ausschlagung angefochten werden, wenn der Ausschlagende irrtümlich von einer Überschuldung ausgegangen ist. Wer aber ohne nähere Kenntnis der Zusammensetzung des Nachlasses ausschlägt, entscheidet sich hierfür aufgrund bloßer Spekulation und handelt aufgrund von Hoffnungen oder Befürchtungen. Dies berechtigt nicht zur Anfechtung. Denn das würde es dem Erben ermöglichen, sehr flexibel auf die weiteren Entwicklungen zu reagieren: entwickeln sich die Erkenntnisse negativ, belässt der Erbprätendent es bei der erklärten Ausschlagung, entwickeln sie sich günstig, ficht er seine Ausschlagung an. Die Schwestern befanden sich schon nach ihren eigenen Angaben nur in einem anfechtungsrechtlich unbeachtlichen Motivirrtum, der sie nicht zur Anfechtung berechtigt. Sie überschätzten die Kosten der Wohnungsauflösung und hielten daher eine Überschuldung für wahrscheinlich, wobei ihnen bewusst war, weder vorhandene Guthaben, noch die entstehenden Kosten irgendwie verlässlich (geschweige denn gesichert) beziffern zu können, sondern von rund fünf Jahre zurückliegenden Werten auszugehen und hieraus Rückschlüsse gezogen zu haben. Daher bleibt ihnen eine Rückkehr zu einer Erbenstellung verwehrt.