Vom 9. Mai 2018
(dpa/red). Auch Eltern können sich so gegenüber ihrem Kind verhalten, dass sie keinen Anspruch auf ihren gesetzlichen Pflichtteil haben. Hierfür stehen die Rechtsinstitute der Pflichtteilsentziehung und der Pflichtteilsunwürdigkeit zur Verfügung. Neben den im Gesetz verankerten Gründen, kann es keine weiteren Gründe geben und dies im Gesetz aufgeführten Gründe können nicht ausgetauscht werden. Eine Pflichtteilsentziehung muss im Testament angeordnet sein. Allein
Der Fall
Der Vater des Erblassers verlangt von dessen Witwe und Alleinerbin seinen Pflichtteilsanspruch. Die Witwe entgegnet, dass der Vater seinen Pflichtteil verwirkt hat, weil er dem Erblasser als Kind keinen gehörigen Unterhalt geleistet und ihn fortwährend gedemütigt, beleidigt, misshandelt, geschlagen, mit 14 Jahren aus dem Haus getrieben sowie mit Tötungsvorsatz mit einem Schraubenzieher angegriffen habe. Zudem habe der Kläger Gelder des Erblassers veruntreut. Der Erblasser hat in seinem Testament nichts darüber ausgedrückt, dass er seinem Vater den Pflichtteil entziehen möchte.
Keine Verwirkung statt rechtswirksamer Pflichtteilsentziehung oder Pflichtteilsunwürdigkeit
Das OLG Nürnberg weist darauf hin, dass der Ausschluss von Ansprüchen aus dem verfassungsmäßig geschützten und nicht frei entziehbaren Pflichtteilsrecht wegen eines den Interessen des Erblassers zuwiderlaufenden Verhaltens des Pflichtteilsberechtigten durch die Rechtsinstitute der Pflichtteilsentziehung und der Pflichtteilsunwürdigkeit abschließend geregelt und einer Analogie nicht zugänglich sind. Selbst wenn daneben Fallgestaltungen denkbar sein sollten, in denen über die vorgenannten Rechtsinstitute hinaus eine Verwirkung der Rechte des Pflichtteilsberechtigten angenommen werden könnte, so darf die Annahme einer solchen Verwirkung nicht zu einer Umgehung der vom Gesetzgeber getroffenen Wertentscheidungen führen. Insbesondere darf dadurch nicht das Erfordernis einer letztwilligen Verfügung durch den Erblasser umgangen oder die gegenüber den Pflichtteilsentziehungsgründen bewusst beschränkend vorgenommene Aufzählung der Unwürdigkeitsgründe ignoriert werden. Fällt also ein Verhalten des Pflichtteilsberechtigten grundsätzlich in den Anwendungsbereich der gesetzlich aufgeführten Pflichtteilsentziehungsgründe, verwirklicht es aber keinen Unwürdigkeitsgrund, so darf das Recht des Pflichtteilsberechtigten nicht über die Annahme einer Verwirkung ausgeschlossen werden, wenn der Erblasser eine Pflichtteilsentziehung tatsächlich nicht durch Testament wirksam verfügt hat. Eine testamentarische Verfügung über die Entziehung lag nicht vor und durch das Verhalten des Vaters wurde kein gesetzlich aufgeführter Unwürdigkeitsgrund erfüllt, sodass er einen Pflichtteilsanspruch hat.
Oberlandesgericht Nürnberg, Beschluss vom 4.1.2018 (Az.: 12 U 1668/17)