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Aktuelle Urteilsmeldungen

Vom 29. August 2015

Steuerliche Absetzbarkeit von Prozesskosten zur Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen?

(dpa/red). Außergewöhnliche finanzielle Belastungen kann man in bestimmten Fällen von der Steuer absetzen. Es fragt sich auch bei der prozessualen Geltendmachung von erbrechtlichen Ansprüche, ob auch die so entstandenen Gerichts- und Rechtsanwaltskosten dazu gehören. Dies ist derzeit stark umstritten. Die Arbeitsgemeinschaft Erbrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) informiert über eine Entscheidung des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts.

 

Der Fall

Der Vater enterbt seine Tochter. Dieser stehen daher Pflichtteilsansprüche gegen den Nachlass des Vaters zu. Die Tochter macht daraufhin gegen die Erbin ihres verstorbenen Vaters gerichtlich Auskunfts- und Pflichtteilsansprüche geltend. Dabei fallen Rechtsanwalts- und Gerichtskosten in Höhe von rund 6.000,00 € an. Die Erbin erkennt die Ansprüche an. In der Zwangsvollstreckung zeigt sich aber, dass die Erbin nicht in der Lage ist, die Pflichtteilsansprüche in Höhe von rund 43.000 Euro oder zu ihrer Geltendmachung angefallenen Gerichts- und Rechtsanwaltskosten zu zahlen. Die Tochter will nun wenigstens die Kosten bei ihrer eigenen Einkommensteuer absetzen.

 

Das zuständige Finanzamt lehnt im konkreten Fall die Absetzbarkeit ab, weil der eingeklagte Erbanspruch nicht – wie gesetzlich vorausgesetzt – einen existenziell wichtigen Bereich betreffe und die Existenzgrundlage der Familie der Steuerpflichtigen auch ohne die Erbschaft durch das erzielte Familieneinkommen gesichert sei, sodass es sich nicht um außergewöhnliche Belastungen handelt.

 

Die Entscheidung

Zu Recht entscheidet das Schleswig-Holsteinische Finanzgericht. Zwar hatte sich der IV. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) in seinem Urteil vom 12.5.2011 (Az.: VI R 42/10, BStBl II 2011, 1015) für eine Absetzbarkeit von Prozesskosten in den Fällen ausgesprochen, in denen die Prozessführung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Der IX. Senat des BFH hat offen gelassen, ob er dieser geänderten Rechtsprechung folgt (vgl. Urteil vom 19. 3. 2013 IX R 41/12, BFH/NV 2013, 1168). Das Finanzgericht (FG) Düsseldorf ist der Entscheidung des IV. Senats in seinem Urteil vom 11. Februar 2014 bereits entgegen getreten. Dem folgt das Schleswig-Holsteinische Finanzgericht nunmehr und wendet die frühere Rechtsprechung an, wonach die Kosten eines Zivilprozesses lediglich in besonders gelagerten Fällen als außergewöhnliche Belastung anerkannt waren – nämlich dann, wenn die Durchführung eines Gerichtsverfahrens prozessrechtlich der einzige Weg war, das Klageziel zu erreichen. Unter Berücksichtigung dieser früheren Rechtsprechungsgrundsätze seien die im Streitfall geltend gemachten Aufwendungen nicht als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen. Es gehe in dem zugrunde liegenden Rechtsstreit um Auskunfts- und Pflichtteilsansprüche, die die Klägerin gegenüber den Erben ihres verstorbenen leiblichen Vaters geltend gemacht hatte. Damit waren keine existentiell wichtigen Bereiche oder der Kernbereich des menschlichen Lebens betroffen. Die Klägerin sei letztlich ein Prozessrisiko eingegangen, mit dem Ziel, eine Vermögensbereicherung zu erzielen. Eine Zwangsläufigkeit dieser Aufwendungen im Sinne der früheren BFH-Rechtsprechung sei nicht dargelegt.

 

Hinweis:

Das Schleswig-Holsteinische FG entschied anders als der Bundesfinanzhof in dessen Urteil vom 12.5.2011 (Az.: VI R 42/10). Zu der Frage ist daher eine Vielzahl an Revisionsverfahren beim Bundesfinanzhof anhängig.

 

Schleswig-Holsteinische Finanzgericht (FG) vom 18.3.2015 (Az.: 2 K 256/12)