Vom 18. März 2022
(dpa/tmn) Wer für seinen Tod vorsorgt, ändert oder präzisiert seinen letzten Willen in den Jahren vor seinem Tod oftmals. Testamente werden vor dem Notar errichtet, in amtliche Verwahrung gegeben; sie werden geändert, es wird neu testiert, ältere Verfügungen werden aus der amtlichen Verwahrung genommen. So mag es vorkommen, dass sich die Erbenstellung aus dem letzten Testament ergibt, das aber selbst nicht explizit den Erben gezeichnet, sondern auf ein älteres Testament, das aus der amtlichen Verwahrung genommen wurde, verweist. Eine solche Erbeinsetzung kann trotzdem gültig sein, obwohl die Rücknahme eines notariellen Testaments aus amtlicher Verwahrung als Widerruf der Verfügung von Todes wegen gilt.
Der Fall
Ein Mann verstirbt 2017 verwitwet und kinderlos. Von seinen Verwandten sind nur noch einige Geschwister bzw. Nichten und Neffen vorhanden. 2012 hat er ein notarielles Testament in amtliche Verwahrung beim Nachlassgericht gegeben, in dem er eine Alleinerbin einsetzte. Kurz vor seinem Tod errichtet der Mann ein weiteres notarielles Testament, in dem er Bezug auf sein vor demselben Notar errichtetes Testament von 2012 nimmt, in dem er verfügt, dass das Testament von 2012 bestehen bleibt und er nur ergänzend einen Ersatzerben bestimmt. Auch jenes Testament von 2017 gibt er in amtliche Verwahrung und nimmt sodann das von 2012 aus der amtlichen Verwahrung zurück, um keine Verwirrung zu stiften. Die 2012 eingesetzte Alleinerbin hält sich für seine Rechtsnachfolgerin. Der von ihr beantragte Erbschein wird nicht vom Nachlassgericht erteilt, da das Testament von 2012 durch die Rücknahme aus der amtlichen Verwahrung widerrufen sei.
Erbeinsetzung durch ein Testament, das auf ein widerrufenes Testament Bezug nimmt, kann wirksam sein
Zu Unrecht, urteilen die Richter. Zwar kann gilt ein öffentliches Testament nach dem Gesetz als widerrufen, wenn die in amtliche Verwahrung genommene Urkunde dem Erblasser zurückgegeben wird. Zurückgegeben wurde aber nur das Testament von 2012, nicht hingegen das von 2017. Damit ist jedenfalls das Testament von 2017 nicht widerrufen, auch wenn es auf das von 2012 Bezug nimmt. Das Testament von 2017 ist daher gültig geblieben. Dieses enthält zwar keine unmittelbare Erbeinsetzung der Antragstellerin. Diese war vielmehr im Testament von 2012 verfügt. Das Testament von 2017 nimmt aber auf das Testament von 2012 Bezug und spricht ausdrücklich aus, dass es bei der dortigen Erbeinsetzung bleiben soll. Dies genügt, um die Erbeinsetzung der Antragstellerin aufrecht zu erhalten. Dies gilt, obwohl das Testament von 2012 widerrufen war, da die Erbeinsetzung der Antragstellerin auch im Testament von 2017 zumindest andeutungsweise verfügt wurde.
Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt, Beschl. v. 20.7.2021 (20 W 9/20)