Vom 1. September 2015
(dpa/red). Hat der Erbe die Erbschaft angenommen, so erlangt er nicht nur das Vermögen, sondern auch die Schulden des Erblassers und haftet hierfür. Stellt sich erst später heraus, dass die Schulden höher sind als das Vermögen, kann der Erbe die Annahme der Erbschaft anfechten, wenn er sich hierüber geirrt hat. Doch geht das auch, wenn die Erben die Forderung zwar kannten, aber nicht wussten, ob sie noch durchsetzbar war. Die Arbeitsgemeinschaft Erbrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) informiert über eine Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) München.
Nach dem Tod des Vaters erfuhren seine Kinder als dessen Erben von einer Forderung gegen den Vater, meinten jedoch, dass diese verjährt ist und den Nachlass daher nicht mehr belastet. Um dies verbindlich zu klären, reichten sie eine Klage ein. Das Gericht entschied, dass die Forderung gegen den Nachlass immer noch besteht, weil gerade keine Verjährung eingetreten ist. Durch diese Forderung war der Nachlass überschuldet, sodass die Kinder nach Verkündung des Urteils nunmehr ihre Annahme der Erbschaft anfochten. Die Kinder wollten sodann die Einziehung eines Erbscheins, der sie als Miterben auswies. Das hierfür zuständige Nachlassgericht lehnte dies ab, da die Kinder bereits vor Klageerhebung von der Forderung wussten und die 6-wöchige Anfechtungsfrist nach Urteilsverkündung abgelaufen war.
Das OLG München sah dies anders: Die Überschuldung des Nachlasses ist eine verkehrswesentliche Eigenschaft, die zur Anfechtung der Annahme der Erbschaft berechtigen kann. Ein Anfechtungsgrund ist aber nur dann gegeben, wenn der Irrtum bezüglich der Überschuldung des Nachlasses auf falschen Vorstellungen hinsichtlich der Zusammensetzung des Nachlasses beruht. So kann eine Überschuldung des Nachlasses auch dann anzunehmen sein, wenn es um die Belastung des Nachlasses mit wesentlichen Verbindlichkeiten geht, deren rechtlicher Bestand ungeklärt ist. Da die Kinder des Erblassers in ihrer Klageschrift davon ausgingen, dass die Forderung der Verjährung keinen Bestand hatte, ist die Auffassung des Nachlassgerichts falsch, dass es sich nur um eine nachträglich andere Bewertung einer von Grunde an bekannten Verbindlichkeit handelt. Vielmehr liegt ein Irrtum darüber vor, dass die Forderung überhaupt eine Nachlassverbindlichkeit darstellt und damit den Nachlass belastet. Erst mit der Zustellung des feststellenden Urteils ergab sich die Aufklärung des Irrtums, die Frist zur Ausschlagung begann erst damit zu laufen. Aus der Anfechtung nach der Zustellung des die Nicht-Verjährung feststellenden Urteils ergibt sich auch, dass die Kinder die Erbschaft bei früherer Kenntnis sofort ausgeschlagen hätten. Ihre Anfechtung der Annahme der Erbschaft nach diesem Urteil führte also rechtmäßig dazu, dass sie nicht mehr Erben sind. Entsprechend musste der anderslautende Erbschein eingezogen werden.
OLG München, Beschluss vom 28. Juli 2015 (AZ: 31 Wx 54/15)