Vom 28. März 2015
(dpa/red). Die gesetzliche Erbfolge kann durch Testament abgeändert werden. Derjenige, der ein solches Testament errichtet, sollte sich darüber Gedanken machen und aufschreiben, wer erben soll, wenn der dort Bedachte vor ihm verstirbt und somit als Erbe wegfällt. Ist darüber nichts im Testament gesagt, so erben nicht automatisch die Verwandten des Bedachten.
Werden nach Erstellung eines Testamentes eintretende Umstände, die Auswirkungen auf die dort gemachten Verfügungen haben, nicht bedacht, so kann bei einer solchen planwidrigen Lücke durch ergänzende Auslegung der Wille des Erblassers ermittelt werden. Dabei muss aus dem Gesamtbild des Testaments selbst eine Willensrichtung des Erblassers erkennbar sein, die tatsächlich in Richtung der vorgesehenen Ergänzung geht. Durch sie darf aber kein Wille in das Testament hineingetragen werden, der darin nicht andeutungsweise ausgedrückt ist. Die Arbeitsgemeinschaft Erbrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) informiert über ein Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) München.
25 Jahre vor seinem Tod bestimmte der Erblasser in einem handschriftlich erstellten und unterschriebenen Testament: „Als Alleinerbin setze ich meine Ehefrau ein.“ Weiteres verfügte er nicht. Eigene lebende Familienmitglieder hatte der Erblasser, soweit ihm bekannt war, nicht, sodass er zu Lebzeiten die Familie seiner Ehefrau als seine Familie ansah. Da seine Ehefrau nun vor ihm verstarb, wollten nach seinem Tod deren beiden Schwestern Erben ihres Schwagers werden. Der eingesetzte Nachlasspfleger für die (noch) unbekannten gesetzlichen Erben wiedersprach dem. Die Schwägerinnen klagten ihre Erbenstellung ein und trugen dem Gericht sehr umfangreich vor, wie sich der Erblasser in ihrer Familie integriert hatte und froh war, diese als seine anzusehen.
Indem der Erblasser den Fall des Vorversterbens seiner Ehefrau nicht bedacht hatte, sah das OLG München zwar eine planwidrige Regelungslücke in dem Testament; diese kann aber durch eine ergänzende Testamentsauslegung nur dann geschlossen werden, wenn die für die Zeit der Testamentserrichtung anhand des Testaments oder unter Zuhilfenahme von Umständen außerhalb des Testaments oder allgemeinen Lebenserfahrung festzustellende Willensrichtung des Erblassers dafür eine genügende Grundlage bietet. Das Gericht führte aus, dass nach der Lebenserfahrung Motiv für die Einsetzung des Ehepartners als Alleinerbe regelmäßig die enge persönliche Beziehung und der Wunsch ist, ihm das beiderseitige Vermögen ungeschmälert zu belassen. Dass ein Ehegatte den anderen als Repräsentant von dessen Herkunftsfamilie betrachtet, erscheint aber als fernliegend. Der Nachlasspfleger des Nachlasses musste daher weiter nach gesetzlichen Erben aus der Familie des Erblassers suchen. Wenn diese nicht gefunden werden, erbt der Staat.
Oberlandesgericht München am 11. Dezember 2014 (AZ: 31 Wx 379/14)