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Aktuelle Urteilsmeldungen

Vom 10. April 2020

Wer Zweifel an der Wirksamkeit eines privatrechtlichen Testaments hat, hat ein Recht die Nachlassakten beim Nachlassgericht einzusehen

(dpa/tmn). Wer die Wirksamkeit eines privatschriftlichen Testaments bezweifelt, hat ein berechtigtes Interesse das Testament einzusehen. Wegen der Verlustgefahr werden aber zum nächstgelegenen Gericht oder zum Rechtsanwalt in der Regel nur Kopien des Testaments versendet. Wer das Original einsehen will, kann dies nur beim zuständigen Nachlassgericht tun, auch wenn dies weit entfernt ist.

Der Fall

Eine Frau möchte einen Erbschein, weil sie vom Verstorbenen zur Erbin eingesetzt sei. Hierzu legt sie ein handschriftliches Testament vor. Die Schwester des Erblassers tritt dem entgegen. Sie hat ernsthafte Bedenken an der Wirksamkeit und Authentizität des Testaments. Sie beantragt, das Testament einzusehen. Das zuständige Nachlassgericht am letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers sendet die Nachlassakte zum nächstgelegenen Amtsgericht am Wohnsitz der Schwester. Vom Testament befindet sich in der Verfahrensakte allerdings nur eine Kopie versehen mit einem Beglaubigungsvermerk. Die Schwester verlangt Übersendung des Originaltestaments. Das Nachlassgericht weist das unter Hinweis auf die Verlustgefahr zurück. Einsicht in das Original könne nur vor Ort beim 500 km entfernten Nachlassgericht erfolgen. Hiergegen legt die Schwester Beschwerde ein.

Akteneinsichtsrecht

Ohne Erfolg. Beteiligte eines Erbscheinsverfahrens haben gemäß § 13 FamFG das Recht, die Gerichtsakten auf der Geschäftsstelle des Nachlassgerichts einzusehen, wenn nicht schwerwiegende Interessen eines anderen Beteiligten oder eines Dritten entgegenstehen. Rechtsanwälten können die Akten auch in die Kanzleiräume überlassen werden. Die Entscheidung über die Überlassung von Verfahrensakten zur Einsichtnahme in die Kanzleiräume eines Rechtsanwalts liegt im Ermessen des Gerichts, ein Anspruch auf Überlassung besteht nicht. Entsprechendes gilt für die Überlassung von Beweisstücken. Daneben gibt § 357 Abs. 1 FamFG ein Recht zur Einsicht in eine eröffnete Verfügung von Todes wegen, wenn ein rechtliches Interesse an der Einsicht glaubhaft gemacht wird.

Verlustgefahr schwerwiegend in Nachlasssachen

In Nachlasssachen wiegt die Gefahr eines Verlustes der Akten weit schwerer als in sonstigen Zivilverfahren. Sie enthalten regelmäßig Urkunden im Original, die sich im Falle des Aktenverlustes nicht mehr rekonstruieren lassen, so dass ein solcher Verlust mit schwerwiegenden oder selbst unersetzlichen Nachteilen für die Beteiligten verbunden sein kann. Daher kommt regelmäßig nur die Versendung von Kopien des Testaments in Betracht. Ein Einsichtsrecht in das Original besteht daher nur beim Nachlassgericht selbst.

Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf, Beschluss vom 6.12.2019 (I-3 Wx 224/19)