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Aktuelle Urteilsmeldungen

Vom 26. August 2016

Wie kommt der Pflichtteilsberechtigte an die relevanten Informationen zu Schenkungen des Verstorbenen?

(dpa/red) Wenn der Erblasser Kinder, Eltern oder seinen Ehegatten enterbt, so steht ihnen ein Pflichtteilsanspruch zu. Sie erhalten einen Mindestanteil am Nachlass in Geld ausbezahlt. Um die Höhe dieses Anspruchs errechnen zu können, sieht das Gesetz Auskunftsansprüche zum Wert dessen vor, was der Verstorbene hinterlassen hat. Was aber, wenn die Auskunft „wertlos“ lautet? Hier mag die Vermutung naheliegen, dass der Verstorbene noch zu Lebzeiten Geld verschenkt hat. Doch wie kommt man an die relevanten Informationen? Die Arbeitsgemeinschaft Erbrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) informiert über eine Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Stuttgart.

 

Der Fall

Der Verstorbene hat monatliche Einkünfte von 1.720,00 EUR. Seine Konten weisen zum Todeszeitpunkt nahezu kein Guthaben auf. Es scheint nicht ausgeschlossen, dass gewisse Beträge verschenkt worden sind. Der Erbe wollte aber nun selber keine Nachforschungen hierüber anstellen und bot dem Pflichtteilsberechtigten an, seine Auskunftsansprüche gegenüber der Bank abzutreten.

 

Die Entscheidung

Das OLG Stuttgart entschied, dass der Pflichtteilsberechtigte sich hierauf nicht verweisen lassen muss: Besteht der Verdacht, dass ein Erblasser im maßgeblichen Zehn-Jahres-Zeitraum Zuwendungen von seinem Bankkonto (oder seinem Depot) schenkungsweise an Dritte erbracht hat, so ist der Erbe verpflichtet, selber von seinem Auskunftsrecht gegenüber der Bank Gebrauch zu machen, um eventuelle Zuwendungsempfänger zu ermitteln. Der Pflichtteilsberechtigte muss sich nicht auf einen abgetretenen Auskunftsanspruch verweisen lassen. Vielmehr muss der Erbe die Einsichtnahme in die (vollständigen) Kontoauszüge, Sparbücher oder vergleichbare Bankunterlagen für einen Zehn-Jahres-Zeitraum vornehmen und die Zusammenstellung der einen bestimmten Betrag übersteigenden Verfügungen über die ermittelten Konten, soweit diesen Schenkungen oder sonstige Zuwendungen zu Grund liegen (könnten), ermitteln. Damit verbundene Bankkosten in Höhe von rund 1.500,00 € sind vom Erben zu tragen und diesem zumutbar.

 

Zudem muss der Erbe jedem Hinweis nachgehen, wenn sich Verwandte über den Erhalt oder das Fehlen von Schenkungen äußern. Er muss dann jeden in Frage kommenden Verwandten befragen. Einen Anspruch auf Vorlage schriftlicher Erklärungen jener Verwandter hat der Pflichtteilsberechtigte im Rahmen seines geltend gemachten Auskunftsanspruchs allerdings nicht.

 

Kommt der Erbe seinen Nachforschungspflichten nicht nach, kann er durch Zwangsgeld durch das Gericht hierzu gezwungen werden.

 

Oberlandesgericht Stuttgart, Beschluss vom 26. Januar 2016 (Az: 19 W 78/15)