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Aktuelle Rechtstipps

Vom 12. September 2012

Behauptung der Erbunwürdigkeit muss nachgegangen werden

Ein notarieller Erbvertrag oder auch ein Testament kann auch angefochten werden, indem die Erbunwürdigkeit des Erben behauptet wird. Wer eine solche Behauptung aufstellt, muss sie allerdings auch beweisen. Dafür muss der Betreffende mindestens anbieten, den Erben oder andere Zeugen anzuhören. Jedoch dürfen an dieses so genannte Beweisangebot keine überzogenen Anforderungen gestellt werden. So dürfen Gerichte Beweisantritte nicht einfach wegen Unerreichbarkeit oder Untauglichkeit zurückweisen. Sie sind verpflichtet, ihnen auf jeden Fall nachzugehen, hat der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe entschieden.
Der vermögende Mann litt seit seiner Geburt an einem offenen Rücken und daraus resultierend einem Wasserkopf. Außerdem war er an Diabetes erkrankt und hatte ab etwa 1990 ein Alkoholproblem entwickelt. Er lebte mit seiner Mutter und seiner Schwester in einer Wohnung. In einem Vergnügungsetablissement lernte er eine Frau kennen, die dort zeitweise arbeitete. Im September 2000 setzte er sie in einem notariellem Erbvertrag zur Alleinerbin ein. Nachdem er diesen Erbvertrag noch im Januar 2001 angefochten hatte, zog er zum Jahresende in die Wohnung der Frau, die diese gemeinsam mit ihrem Mann und Sohn bewohnte. In einem neuen Erbvertrag setzte der Erblasser die Frau erneut ohne Vereinbarung einer Gegenleistung zu seiner Erbin ein. Im Mai 2003 starb der Mann in der Wohnung der Frau unter nicht geklärten Umständen. Zum Todeszeitpunkt hatte er 2,4 Promille Blutalkohol.

In einem Strafverfahren ging es um die Frage, ob die Erbin ihn hatte töten lassen. Zu einer strafrechtlichen Verurteilung kam es nicht. Die Familie des Erblassers behauptete die Erbunwürdigkeit der Erbin und trat den Beweis dadurch an, dass sie die Erbin und zwei Zeugen, die sich zum Todeszeitpunkt ebenfalls in der Wohnung aufhielten, anhören wollte. Die Beweise wurden jedoch im Erbunwürdigkeitsverfahren nicht erhoben und die Klage der Angehörigen abgewiesen.

Zu Unrecht, entschieden die Karlsruher Richter. Da die Beweise nicht erhoben worden seien, seien die Klägerinnen in ihrem Recht auf Gewährung des rechtlichen Gehörs verletzt worden. Die Zeugen- und Parteivernehmung sei ein geeignetes Mittel zur Beweiserhebung. Unerheblich sei, dass dies schon im Strafverfahren geschehen sei. Das Gericht dürfe die Beweiserhebung nicht mit dem Argument ablehnen, die Beweismittel seien untauglich. Die Richter in dem Erbunwürdigkeitsverfahren müssten sich ein eigenes Bild machen – unabhängig von dem Strafverfahren und seinem Ergebnis. Weil der ärztliche Gutachter im Strafverfahren die Möglichkeit des Erstickens des Erblassers eingeräumt hat, müsse auch im erbrechtlichen Verfahren die Beweislage geklärt werden.

Beschluss des BGH vom 12. September 2012 (AZ: IV ZR 177/11)