Seite drucken

Aktuelle Rechtstipps

Vom 6. Juli 2015

BMF-Referentenentwurf zur Neuregelung des ErbStG

Inhaltlich anknüpfend an die Entscheidung des Bundesver- fassungsgerichts v. 17.12.2014 hat das BMF am 02.06.2015 einen ersten Referentenentwurf für eine Neuregelung des Erbschaftsteuergesetzes vorgelegt. Grundlage für die vorgesehene Gesetzesänderung ist das bereits bekannt gewordene BMF-Eckpunktepapier. Der äußerst komplexe Referentenentwurf geht jedoch darüber hinaus und enthält weitgehende Systemänderungen bei der Verschonung von unternehmerischem Vermögen. Zusammengefasst: Der Vermögensverwaltungstest wird durch eine Hauptzweckprüfung ersetzt, was zu einer völlig neuen Abgrenzung des begünstigten Vermögens führt. Vereinfacht ausgedrückt müssen originär gewerbliche oder freiberufliche Tätigkeiten als Hauptzweck erbracht werden und es sind nur noch Wirtschaftsgüter begünstigt, die überwiegend einem solchen Hauptzweck dienen. Ausgenommen von dieser Einzelprüfung sind Geldmittel, Zahlungsmittel und Forderungen, die – wie bislang auch – zum begünstigten Vermögen gehören, wenn sie nach Abzug der Schulden 20 % des gemeinen Wertes der Betriebe oder der Gesellschaft nicht übersteigen. In mehrstufigen Beteiligungsverhältnissen sind begünstigtes und nichtbegünstigtes Vermögen konsolidiert zu ermitteln, wodurch „Kaskadeneffekte“ durch die Ausnutzung der heutigen Holdingklauseln ausgeschlossen werden sollen. Wenn diese Gesamtvermögensaufstellung nichtbegünstigtes Vermögen enthält, welches 10 % des Wertes des begünstigten Vermögens nicht übersteigt, soll dieses aus Kulanzgründen mit zum begünstigten Vermögen zählen. Für das nichtbegünstigte Vermögen, welches über dieser 10 %-Grenze liegt, erhält der Erwerber keine Verschonung. Hinsichtlich des begünstigten Vermögens gelten die bekannten Verschonungsregelungen weiter, also ein 85 %-iger Verschonungsabschlag (Regelverschonung) oder auf Antrag ein 100 %-iger Verschonungsabschlag (Vollverschonung). Auch die bisherigen Regelungen zur Behaltensfrist und zur Lohnsummenkontrolle sollen weitgehend unverändert bleiben, wobei der Lohn- summenkontrolle bereits Betriebe mit mehr als 3 Arbeitnehmern (bisher 20) unterliegen sollen und für Betriebe von 4 bis 10 Arbeitnehmer gewisse Erleichterungen vorgesehen sind (Mindestlohnsumme 250 % statt 400 % bei der Regelverschonung und 500 % statt 700 % bei der Vollverschonung).
Dieses Verschonungssystem gilt jedoch nur, wenn der Wert des begünstigten Vermögens 20 Mio. € pro Einzelerwerb (wobei Erwerbe innerhalb von 10 Jahren vom selben Schenker/Erblasser zusammengerechnet werden) nicht übersteigt. Bei einem höheren Erwerb muss entweder eine Kürzung des Verschonungsabschlags hingenommen werden, nämlich jeweils um 1 %-Punkt pro 1,5 Mio. € des Werts des Erwerbs über 20 Mio. €, wobei ab einem Erwerbswert von mehr als 110 Mio. € eine Sockelsteuerbefreiung von 25 % (Regelverschonung) und 40 % (Vollverschonung) gewährt wird, oder es muss ein Antrag auf Steuererlass gestellt werden. Dann muss im Rahmen einer individuellen Bedürfnisprüfung („Verschonungsbedarfsprüfung“) nachgewiesen werden, dass die Erbschaft- und Schenkungsteuer auf dem an sich begünstigten Erwerb nicht aufgebracht werden kann. Die Erwerbswertgrenze von 20 Mio. € erhöht sich – offenbar mit Blick auf Familiengesellschaften – auf 40 Mio. €, wenn der Gesellschaftsvertrag 10 Jahre vor und 30 Jahre nach dem Erwerb bestimmte Regelungen vorsieht, wonach Entnahmen oder Ausschüttungen des Gewinns nahezu vollständig beschränkt sind, die Verfügung über die Beteiligung nur an Angehörige zulässig ist und für den Fall des Ausscheidens aus der Gesellschaft eine erheblich unter dem gemeinen Wert der Beteiligung liegende Abfindung gezahlt wird.
Die Neuregelungen sollen ab dem Tag der Verkündung des Änderungsgesetzes gelten. Von einer Rückwirkung hat der Gesetzgeber im vorliegenden Entwurf abgesehen, weswegen angesichts der denkbaren Verschärfungen im Einzelfall geprüft werden sollte, ob Übertragungen unter Geltung der derzeitigen Rechtslage noch vorgezogen werden sollten. Dem Vernehmen nach ist der vorliegende Referentenentwurf mit den Bundesländern bislang nicht abgestimmt, so dass noch Diskussionen, ggf. auch Änderungen zu erwarten sind. Der Referentenentwurf wird im nächsten ErbR-Heft vertiefend dargestellt.

mitgeteilt von Rechtsanwalt Dr. Michael Holtz und Rechtsanwalt Dr. Jörg Stalleiken,
Bonn

 

Hinweis der Schriftleitung:

Näheres hierzu von Holtz/Stalleiken im ErbR-Report von Heft 08/2015.