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Aktuelle Rechtstipps

Vom 13. Mai 2014

Erben: Gelten Verträge über den Tod hinaus?

Cornelius Gurlitt ist tot. Der 81jährige Sohn des Kunsthändlers Hildebrand Gurlitt starb am Dienstag in München. Sein Tod wirft viele Fragen auf, die sich auch in anderen, vergleichbaren Fällen stellen: Wie bindend sind Verträge und Testamente, die unter schwerer Krankheit entstanden sind?

Cornelius Gurlitt war ein stiller Mann und doch geriet der Sohn des Kunsthändlers Hildebrand Gurlitt vergangenes Jahr ins Zentrum einer der größten Kunstskandale der letzten Jahrzehnte. Über 1.000 Gemälde von teils enormen Wert fanden Zollbeamte in Gurlitts Münchner Wohnung und beschlagnahmten sie. Viele Fragen taten sich damals auf: Woher stammen die Werke? Sind darunter auch Gemälde, die die Nationalsozialisten den jüdischen Besitzern abgepresst hatten? Waren einige der Bilder aus deutschen Museen entfernt worden, weil sie den Nazis als „entartet“ galten?

Um die Herkunft der Werke zu klären, gründete die Bundesregierung im November 2013 eine Taskforce aus Experten. Dieses Ziel sowie mögliche Restitutionen ermöglichen will auch die im April 2014 geschlossene Verfahrensvereinbarung zwischen Gurlitt, der Bundesrepublik Deutschland und Bayern. Laut Gurlitts Sprecher sind die behördlichen Ermittlungen gegen den Kunstsammler-Spross mit dessen Tod beendet.

Aber inwieweit überdauert die Verfahrensvereinbarung Gurlitts Tod? Welche Rolle spielt sein Testament in der weiteren Abwicklung des Falls?

Gurlitts Tod mache den Fall nicht einfacher, sagt Inger-Kristina Wegener von der Arbeitsgemeinschaft Geistiges Eigentum und Medien im Deutschen Anwaltverein (DAV): „Man wird mit der Verfahrensvereinbarung keine große Vereinfachung der Situation erreichen. Im Prinzip befanden wir uns schon in der Ausgangslage in einer Situation, in der die einzelnen Verhältnisse der Bilder vollkommen ungeklärt waren.“ Insofern sei eine pauschale Vereinbarung über das zukünftige Schicksal dieser Bilder rechtlich schwer zu beurteilen, so die Rechtsanwältin. „Die einzelnen Bilder dürften sehr unterschiedliche Anknüpfungspunkte von Rechten, also zum Beispiel Herausgaberechten Dritter unterliegen. Gurlitts Zustimmung beurteilt sich dementsprechend im Einzelfall. Es ist durchaus denkbar, dass die Verfahrensvereinbarung nicht für alle Kunstwerke aus der Sammlung Bestand haben kann“, so Wegener.

Wer vertritt Gurlitts Interessen nach dessen Tod?

So sie denn benannt werden, seine Erben. Gurlitt hat keine Kinder, war nie verheiratet. Bislang ist noch nicht öffentlich, wer als Erbe in seinem Testament bedacht ist. Grundsätzlich wäre ein Rechtsnachfolger mit denselben Fragen betraut, die sich schon vor seinem Tod gestellt haben – ausgenommen strafrechtlicher Vorwürfe. Die rechtlichen Fragen, die sich aus der Verfahrensvereinbarung Gurlitts ergeben, werden dementsprechend auch für den Erben gelten.

War Gurlitt so kurz vor seinem Tod noch geschäfts- bzw. testierfähig?

Die Testierfähigkeit ist Voraussetzung für das Aufsetzen, die Änderung oder Rücknahme eines Testaments – ebenso wie die Geschäftsfähigkeit Voraussetzung ist, Verträge abschließen zu können. Dass jemand schwer krank ist oder war, gibt zunächst keinen Anhaltspunkt darauf, ob jemand nicht testier- oder geschäftsfähig war. Viele Testamente werden auf dem Sterbebett geschrieben.

Gerichtsverfahren können nach dem Tod fortgesetzt werden

Grundsätzlich können Gerichtsverfahren übrigens fortgesetzt werden, wenn eine der streitenden Parteien verstirbt – exklusive strafrechtlicher Vorwürfe. „In der Regel werden Verfahren ausgesetzt, bis ein Erbe feststeht“, sagt Andreas Frieser. Der Rechtsanwalt ist Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Erbrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV). Stehen die Erben fest, können die sich entscheiden: Wenn sie das Erbe annehmen, können sie auch den Prozess fortsetzen oder alternativ einen Anwalt damit beauftragen.

Ihnen steht gleichsam aber frei, das Erbe auszuschlagen. Dann rückt der Nächste im Testament nach. Aus der Praxis weiß Rechtsanwalt Frieser aber: „Meistens folgt auf eine Ausschlagung eine Kettenreaktion. Wenn der Vormann das Erbe nicht antreten will, entscheidet sich zumeist auch der Nachrückende für die Ausschlagung.“ Findet sich kein Erbe, geht der Nachlass auf den Staat über.

Höchstpersönliche Rechte sind nicht übertragbar

Dass höchstpersönliche Rechte nicht vererblich sind, hat der Bundesgerichtshof erst kürzlich am Fall des verstorbenen Musikers Peter Alexander exerziert. Dessen Sohn war mit einer Klage vorm BGH gescheitert. Die Richter in Karlsruhe wiesen sein Begehren ab, einen Geldentschädigungsanspruch des Vaters nach dessen Tod geltend zu machen. Peter Alexander hatte kurz vor seinem Tod eine Klage gegen Zeitungsberichte angestrengt. Er sah sich in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt.

Ein solcher Anspruch sei aufgrund seiner höchstpersönlichen Natur nicht vererblich, teilte der BGH mit. Geldentschädigungen werden Geschädigten nach deutschem Recht vordergründig unter dem sogenannten „Genugtuungsgedanken“ zugesprochen. Der verwirkt zwar nicht, wenn der Geschädigte verstirbt, ehe der Anspruch erfüllt wird. Seine Erben profitieren davon allerdings nicht. Der Anspruch geht nicht auf sie über.

Veröffentlicht auf anwaltauskunft.de