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Aktuelle Rechtstipps

Vom 17. August 2018

Zum Wohl der Liebsten – Wie Sie Ihr behindertes Kind richtig absichern

Wer kümmert sich um unser Kind, wenn wir eines Tages nicht mehr da sind? – Diese Frage treibt insbesondere Eltern behinderter Kinder um. Sie fürchten, dass das Kind nach ihrem Tod schutzlos sein, und dass das gesamte Familienvermögen womöglich vom Sozialhilfeträger vereinnahmt werden könnte. „Durch ein Behindertentestament lässt sich sicherstellen, dass das Erbe der Eltern zur Verbesserung der Lebensumstände ihres Kindes zur Verfügung steht und es vor dem Zugriff des Staates geschützt bleibt“, erläutert Dr. Hans Hammann, Rechtsanwalt in Reutlingen und Mitglied der AG Erbrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV).

Wichtig ist ein Testament in jedem Fall: Machen Eltern kein Testament und verstirbt ein Partner, erbt das Kind aufgrund der gesetzlichen Erbfolge automatisch ohne jeden Schutz mit. Seinen Erbanteil berücksichtigt der Sozialhilfeträger unter Abzug der Freibeträge als verwertbares Vermögen. Wenn Eltern ihr behindertes Kind umgekehrt per Testament komplett enterben, steht ihm ein Pflichtteilsanspruch zu. „Diesen Anspruch kann und wird der Sozialhilfeträger auf sich überleiten. Er ist genauso wenig geschützt wie der gesetzliche Erbteil“, erläutert Hammann.

Mit Behindertentestament vorsorgen

Um das Kind für den eigenen Todesfall bestmöglich abzusichern und gleichzeitig das Vermögen vor staatlichen Zugriffen zu schützen, ist es für Eltern ratsam, ein Behindertentestament zu errichten. Vorteil: Obwohl das Kind Erbe wird, kann es weiterhin die volle staatliche Unterstützung bekommen. „Dies funktioniert, weil das Erbe durch die Anordnung einer Nacherbschaft und durch die Einsetzung eines Testamentsvollstreckers unter eine Art Schutzglocke gestellt und so dem Zugriff des Sozialhilfeträgers entzogen wird“, erläutert Rechtsanwalt Hammann. Der Testamentsvollstrecker, der das Erbe für das Kind verwaltet, hat die Aufgabe dafür zu sorgen, dass das Vermögen entsprechend den testamentarischen Anordnungen für das Kind verwendet wird. Ratsam ist es, im Testament Anlässe zu nennen, in denen der Testamentsvollstrecker auf das treuhänderisch verwaltete Geld zurückgreifen kann und soll. Zum Beispiel an Geburtstagen, für Reisen und Ausflüge, Hobbys, oder spezielle Therapien, die nicht von der Krankenkasse bezahlt werden. Daneben gewinnt die Verbesserung des Alltags zunehmend an  Bedeutung. „Ein Behindertentestament sollte auch und vor allem die Verbesserung der alltäglichen Lebensumstände berücksichtigen und etwa dem Testamentsvollstrecker erlauben, an den Abenden oder am Wochenende zusätzliche Betreuungszeiten aus den Nachlassmitteln finanzieren zu können“, so Hammann, der mit verschiedenen Einrichtungen gerade derartige Modelle entwickelt.

Wichtig ist auch, das Testament auf Jahre und Jahrzehnte hinaus vorausschauend zu planen und zum Beispiel einen Ersatz-Testamentsvollstrecker für den Fall zu benennen, dass die Person der Wahl nach einiger Zeit ausfällt. „Dass das Behindertentestament über einen langen Zeitraum Bestand haben muss, wird oft nicht genügend berücksichtigt“, weiß Hammann.

Neben der Anordnung der Vor- und Nacherbschaft als Sicherungsmittel für das Erbe besteht auch die Möglichkeit, das Kind lediglich als Vorvermächtnisnehmer einzusetzen. „Beide Konstruktionen haben Vor- und Nachteile. Was besser geeignet ist, lässt sich nicht pauschal beantworten. Dies hängt vom Einzelfall ab“, erklärt Hammann, der zu einer differenzierten Sichtweise rät, je nachdem, ob es um ein Einzeltestament oder um das gemeinschaftliche Testament von Eheleuten geht.

Rechtssichere Gestaltung

In einer Grundsatzentscheidung hat der Bundesgerichtshof bereits 1989 geklärt, dass testamentarische Regelungen in einem Behindertentestament legitim und rechtlich zulässig sind. Diese Rechtsprechung steht zwar seit jeher in der Kritik. Bis heute hält der Bundesgerichtshof jedoch daran fest und hat seine erste Entscheidung durch zahlreiche weitere Urteile zementiert. „Es gibt keinen Grund daran zu zweifeln, dass es so bleibt.“, erklärt Rechtsanwalt Hammann. „Daher kann man Eltern nur ebenso uneingeschränkt wie dringend empfehlen, zur Absicherung des länger lebenden Ehegatten und des behinderten Kindes ein Behindertentestament zu errichten.“

Vor- und Nacherbschaft oder Vor- und Nachvermächtnislösung? Wichtig ist in jedem Fall, dass alle Formulierungen klar und eindeutig sind, damit es nicht zu Streit kommt. Der Sozialhilfeträger schaut sich jedes Testament genau an. Ohne eine fundierte Beratung, am besten von einem Fachanwalt für Erbrecht, sollten Eltern also in keinem Fall ihr Testament errichten. Der Anwalt erläutert die Rechtlage, zeigt die Vor- und Nachteile der beiden Varianten und die weiteren Untiefen eines Behindertentestaments auf und fertigt einen Entwurf für das Testament. Einer der Ehegatten muss den Entwurf von Anfang bis Ende mit der Hand abschreiben. Dann müssen beide das Testament unterschreiben. Der Anwalt überprüft anschließend, ob das Testament wirksam ist, damit es zum Schluss beim Nachlassgericht hinterlegt werden kann. „Darauf sollte in keinem Fall verzichtet werden“, rät Hammann. „Denn dadurch ist sichergestellt, dass es nicht verloren geht.“

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